Wiederholungen sind für den Menschen unerlässlich. Wie würden wir sonst gekonnt mit Messer und Gabel essen? Scheint wie ein triviales Beispiel, aber falls wir diesen Prozess nicht immer geübt hätten, wäre es – wenn man darüber nachdenkt – immer noch ein komplizierter Vorgang. Die Chinesen, die Stäbchen benutzen verfügen augenscheinlich über ein einfacheres Konzept, indem sie nur eine „Verlängerung ihrer Finger“ nutzen. Allerdings, wer gerne einen Ausflug in asiatische Küchen unternimmt, weiß, dass dies auch der Übung bedarf. Da kann es etliche Versuche benötigen bis man die Sushi-Rolle nicht mehr in Einzelteile zerlegen muss, sondern sie elegant, in einem Schwung in die Sojasauce und in den Mund befördern kann.
Ähnlich ist es schon in jungen Jahren. Wer ein Baby großgezogen hat weiß, dass man viel Putzarbeit leisten darf, bevor das Lätzchen weggelassen und die „Messy Mat“ vom Boden entfernt werden kann.
Kleine Kinder bzw. Babys zeigen hierbei ein großes Interesse, mal viel, mal weniger Geduld. Stundenlang wird probiert Erbsen auf Gabeln zu balancieren und in den Mund zu bugsieren. Oft sitzt man als Elternteil daneben und denkt „Das klappt nie“, aber dennoch doch 40-100% landen im Mund. Was mit der Zeit und stetiger Wiederholung immer besser wird.
In meinem näheren Bekanntenkreis habe ich Eltern beobachten dürfen, die bei diesem Vorgehen schnell die Geduld und Nerven verloren haben. Sonst recht fröhliche Menschen, verfallen in Krisenzustände aufgrund des ständigen Aufputzens, Aufräumens und evtl. des Entfernens der Flecken an der Wand. Ich wurde Zeuge von Ausbrüchen wie “Da habe ich echt keinen Bock drauf, das kann die Kita für mich erledigen“. Das Kind wurde mit knapp zwei Jahren immer noch aus dem Gläschen gefüttert und sah dabei etwas betreten aus der Wäsche.
Dann muss eben die Kita durch die ganze Sauerei, mag man denken. Man hat weniger Stress, die Inneneinrichtung bleibt sauber, und das Essen geht wesentlich schneller. Man hat schließlich noch viel anderes zu tun.
Schade dabei ist nur, dass man damit wichtige Entwicklungsprozesse verhindert bzw. wichtige Vorgänge für die Gehirnentwicklung des Kindes unterbindet. Denn genau diese Wiederholung macht es aus. Der ständige Versuch, die ständige Wiederkehr des gleichen Versuches den Löffel mit dem Essen in den Mund zu befördern. Langsam, eigenständig und selbstständig in die Welt der „Großen“ einzutreten. Diese Wiederholung ist wichtig für die Synapsen im Hirn, die dadurch trainiert werden und wachsen. Das ganze menschliche Sein ist darauf ausgerichtet, nicht nur bei den Kleinen. Selbst als Erwachsenere ist es genauso (siehe Stäbchen) oder wenn man eine Fremdsprache lernt.
Ich habe beobachtet, dass bei vielen kleinen Kindern unter den ersten Wörtern, die sie benutzen, oft der Ausdruck „Nochmal!!!!“ vorkommt.
Wenn es um Rutschen oder Schaukeln geht, ist es eine relativ bequeme Angelegenheit für die Eltern. „Nochmal“ wird aber auch von viel verlangt, an dem die Eltern unmittelbar beteiligt sind. Zum x-ten Mal das gleiche Buch lesen, zum 20. Mal gespannt vor einem Disney-Film sitzen und die gleiche unverhohlene Begeisterung zeigen wie beim ersten Ansehen. Als Eltern kann man vielleicht manche Bücher schon nicht mehr sehen, denkt man müsste dem Kind doch Neues und Abwechslungsreicheres bieten. Was natürlich auch stimmt, Abwechslung ist ebenfalls wichtig für das Gehirn. Genauso wichtig für die Entwicklung des Kindes ist auch die geliebte Wiederholung (Treml A.K., Becker N., 2004), besonders wenn es gepaart wird mit großer Freude und Begeisterung (u.a. Hüther, G. 2016)
Schon vielen Urvölkern war das bewusst, wie zum Beispiel den Nascas. Die Nascas haben sich viel mit dem Geist des Menschen beschäftigt und wie man die Gehirnbahnen bewusst umlenken kann. Zum Beispiel für die persönlich Freude und das Wohlbefinden. Es wurden mit ihren Methoden Systematiken gefunden, die noch heute in der klassischen Neurowissensacht angewendet werden. Durch Wiederholung kann man neue Bahnen im Gehirn ziehen und somit alte verändern. Wenn man selbst ein unliebsames Muster hat, zum Beispiel wütend reagiert, wenn das Kind immer noch nicht „ordentlich“ mit Messer und Gabel essen kann. Falls wieder alles auf dem Tisch, unter dem Tisch, und/ oder auf der Kleidung gelandet ist, ist es möglich durch Übungen dieses Muster umzuprogrammieren und entspannter zu werden. Mindesten 28 Tage darf man das neue Muster visualisieren und einüben, dann können sich neue Bahnen ins Gehirn eingraben. Falls ein Tag ausgelassen wird, fängt man wieder von vorne an.
Diese Beispiele zeigen, dass Wiederholungen etwas verändern können. Sie sind sogar „lebenswichtig“ für Kinder, um schnell ein selbstständiger Teil der Gesellschaft zu werden und mit der Geschwindigkeit dieser Welt mithalten zu können.
Auch wenn Sie meinen, Sie können die „Raupe Nimmersatt“ nicht noch einmal lesen oder sie wollen ihre Kinder nicht schon wieder dieselben Vokabeln abfragen, es ist empfehlenswert. Sowohl ihr Kind als auch die Gehirnsynapsen wird es erfreuen. Bleiben Sie entspannt, schließen sie 28 Tage hintereinander für einen Moment die Augen, wenden den Kopf leicht nach rechts (dies steht im Gehirn für die Zukunft) und sehen Sie wie sie fröhlich und entspannt mit ihrem Kind lesen… mal sehen was passiert.
Schöne Grüße
Katharina Hatherly
Treml A.K., Becker N. (2004) Lernen. In: Einführung in Grundbegriffe und Grundfragen der Erziehungswissenschaft. Einführungskurs Erziehungswissenschaft, vol 1. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden
https://link.springer.com/chapter/10.1007/978-3-663-09887-4_8
Gerald Hüther (2016): Mit Freude lernen – ein Leben lang: Weshalb wir ein neues Verständnis vom Lernen brauchen
https://books.google.de/books?hl=de&lr=&id=unyLDAAAQBAJ&oi=fnd&pg=PT3&dq=freude+beim+lernen&ots=iCK2efmZfX&sig=uWHdZcdkZNO1mz-e2B_vxjhVIU0#v=onepage&q=freude%20beim%20lernen&f=false